International Conference on “Religions and the Sustainable Development Goals (SDGs): Listening to the cry of the earth and of the poor”

7. bis 9. Juli 2019 | Vatikan

Im Jahr 2015 einigten sich die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen auf gemeinsame globale Ziele für nachhaltige Entwicklung, die bis 2030 erreicht werden sollen. Welchen Beitrag Religionen für einen Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit im sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Bereich leisten können, hat nun eine internationale Tagung im Vatikan thematisiert. An der Audienz bei Papst Franziskus in der Sala Regia nahm auch ein Team der KU und der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) unter der Leitung von Prof. Dr. Ulrich Bartosch teil.

Die SDGs (Sustainable Development Goals) sind globale Ziele für nachhaltige Entwicklung und Kernstück der Agenda 2030. Sie betreffen soziale, wirtschaftliche und ökologische Entwicklungsthemen wie Armut, Hunger, Bildung, sauberes Wasser und sanitäre Einrichtungen für alle Menschen.

Papst Franziskus hatte 2015 in seinem Lehrschreiben Laudato Si‘ zum Umdenken im „gemeinsamen Haus“ für nachhaltige Entwicklung und soziale Gerechtigkeit aufgefordert. Das Projekt von KU und VDW unter der Leitung von Prof. Dr. Ulrich Bartosch widmet sich dem Potenzial der Enzyklika für gesellschaftliche Veränderungen hin zu mehr Nachhaltigkeit im Dialog mit namhaften Experten aus Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaft sowie der Zivilgesellschaft.

Der Papst würdigte in einer Audienz für die Konferenzteilnehmer die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung als großartigen Schritt hin zu einem globalen Dialog, welcher eine vitale „neue und universelle Solidarität“ markierte. Dreieinhalb Jahre nach der Verabschiedung der SDGs durch die Vereinten Nationen müssten die Anstrengungen und Maßnahmen beschleunigt und angepasst werden, um angemessen auf „die Schreie der Erde und der Armen“ zu antworten. Mensch und Umwelt seien eng miteinander verbunden, betonte er, hier und an anderen Redestellen aus Laudato Si‘ zitierend.

Die Herausforderungen seien komplex und hätten vielfältige Gründe, deswegen müsse die Antwort auch die verschiedenen kulturellen Hintergründe der Menschen einbeziehen. Kein Wissenszweig und keine Weisheitsform solle übergangen werden und dies schließe insbesondere die Religionen ein. Religionen können uns auf dem Weg einer „authentischen integralen Entwicklung“ helfen, so Franziskus, die von unseren tiefsten religiösen und ethischen Werten unterstützt wird. Diese bezieht sich auf alle Menschen, nicht nur auf den Fortschritt einiger weniger, und auf die ganze Person, nicht nur auf materielle Dimensionen. Ökonomische und politische Ziele müssten von ethischen Zielen unterstützt werden, welche eine Einstellungsänderung erfordern: Das, was die Bibel einen „Wandel des Herzens“ nennen würde. Es geht um eine persönliche, „ökologische Umkehr“. Religionen hätten bei diesem Wandel von innen heraus, der an tiefer liegenden Gründen ansetzt, eine Schlüsselrolle zu spielen.

Der Papst dankte den Anwesenden für ihre Anstrengungen zur Bewahrung des „gemeinsamen Hauses“ und im Dienste einer inklusiven, partizipativen und nachhaltigen Zukunft. Er schloss mit einer Ermutigung, im Kampf für den Wandel nicht nachzulassen, den die Lage der Welt erfordere.

Die Absicht der katholischen Kirche und anderer Religionen, an der Umsetzung der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung möglichst intensiv mitzuwirken, kam in der gesamten Konferenz zum Ausdruck.

„Für mich kommt durch die SDGs endlich der Prozess ‚Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung‘ neu und gestärkt auf die Weltbühne. Heute ist es der Papst, der dringlich ruft: Die Zeit drängt! Und sein Ruf findet Gehör! Wissenschaftliche Rationalität und spirituelle Vernunft müssen sich gemeinsam gegen die drohenden Gefahren der Naturzerstörung stellen. Es geht um eine lebenswerte Zukunft auf unserem Planeten“, fasst Ulrich Bartosch seine Eindrücke zusammen.

Ziel der Konferenz war einerseits, unter Einbezug von Entwicklungsexperten einen intensiven Dialog zwischen den Religionen über deren Beitrag für die Umsetzung der SDGs zu initiieren. Zum anderen sollte die Zusammenkunft der anwesenden Religionsvertreter – ausgehend von ihrer moralischen und Überzeugungskraft – zu konkreten Projekt-Partnerschaften, Kooperationen und Aktivitäten in ihren Gemeinschaften, Organisationen und Wirkumfeldern motivieren. Hierzu hatten sich Vertreter der Weltreligionen, Entwicklungsexperten, UN-Repräsentanten und weitere Vertreter internationaler Organisationen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik sowie Vertreter indigener Gruppen zu der dreitägigen Konferenz im Vatikan versammelt. Deren Expertise sollte ein holistisches Verständnis von Entwicklung fördern und den interreligiösen Einsatz für eine inklusive und nachhaltige Zukunft verstärken.

Zur Konferenz mit dem Titel Religions and the Sustainable Development Goals (SDGs) – Listening to the cry of the earth and the poor hatte Kurienkardinal Peter Turkson als Präfekt des vatikanischen Dikasteriums für die ganzheitliche Entwicklung des Menschen eingeladen, welches zusammen mit dem Päpstlichen Rat für den Interreligiösen Dialog die internationale Veranstaltung ausrichtete.

Nach Begrüßungs- und Einführungsworten mehrerer Vatikan-Repräsentanten, unter anderem von Kardinal Pietro Parolin, welcher als Kardinalstaatssekretär in der vatikanischen Hierarchie direkt auf den Papst folgt, richtete Michael Møller das Wort an die Konferenzteilnehmer. Møller ist Untergeneralsekretär der Vereinten Nationen und Generaldirektor des UN-Büros in Genf. Møller konstatierte, dass gläubige Männer und Frauen einflussreich seien auf die gemeinsamen Anstrengungen. Dies liege darin begründet, dass es bei der Agenda 2030 um mehr gehe als die Erfüllung materieller Bedürfnisse, sondern darum, sicherzustellen, dass jeder Mensch ein Leben in Würde und spiritueller Erfüllung führen kann. Das sei das tiefere und ganzheitliche Verständnis der SDGs.

Jüngste Berichte von internationalen Organisationen bezüglich der Umsetzung der SDGs seien allarmierend, führte Kardinal Peter Turkson im Anschluss an. Die Beteiligung aller, einschließlich der Religionen, sei erforderlich für den nötigen, grundlegenden Wandel. Bei den SDGs gehe es laut Turkson darum, die Menschenwürde und das Ökosystem unseres Planeten zu schützen. Sie sind ein Narrativ menschlicher Entwicklung, das keinen zurücklässt.

Warum und was Religionen zur stärkeren Umsetzung der Ziele für nachhaltige Entwicklung beitragen können, formulierte Turkson folgendermaßen: 80 Prozent der Weltbevölkerung identifizieren sich mit einer religiösen Gruppe bzw. bekennen sich zu einem Glauben an einen Gott oder ein höheres Wesen. In dieser Verortung eines überwiegenden Teils der Menschheit, welche die Entscheidungen und das Verhalten der der Menschen beeinflusst, liegt ein ungeheures transformatives Potenzial. Dementsprechend müsse die Weisheit der Religionen, ihre Spiritualität und ihre Kernwerte und Traditionen eingebracht und aktiviert werden. Die Entwicklungsziele müssen von einem moralischen Bewusstsein unterfüttert sein als wichtigem Faktor neben Technologie, finanziellen Mitteln und politischen Entscheidungen.

Turkson bezeichnete Religionen zudem als Schlüsselakteure in der Entwicklung der Menschheit, da diese sich seit Jahrhunderten für die Bildung und für die Bedürfnisse der Menschen im Gesundheitsbereich in aller Welt einsetzten. Laut UNICEF betreiben bzw. unterstützen Religionen 50 Prozent aller Schulen, stellen bspw. 64 Prozent des Bildungsangebots in der afrikanischen Subsahara bereit und betreiben rund ein Drittel aller medizinischen Einrichtungen weltweit. Zudem können Religionen einen Grund für einen schnellen und radikalen Wandel des Konsum-, Produktions- und Lebensstils bieten, welcher eine tiefgehende, innere Motivation benötigt. Religionen können hier ihre moralischen und spirituellen Traditionen und Narrative einbringen.

Die Konferenz bearbeitete die Themen im Weiteren anhand einer Strukturierung durch die „5 P“ – die fünf Kernbotschaften, die als handlungsleitende Prinzipien in der Präambel den SDGs vorangestellt sind: Mensch, Planet, Wohlstand, Frieden und Partnerschaft (im Englischen beginnen all diese Begriffe mit „p“).

Zunächst referierten Experten verschiedener UN- und anderer internationaler Behörden jeweils zu Entwicklungszielen und dem Umsetzungsstatus. Hierauf folgte jeweils die Perspektive eines Religionsvertreters als Antwort. Best Practice-Beispiele illustrierten die praktische Machbarkeit ethisch fundierter interreligiöser Projekte, Unternehmungen und Nachhaltigkeitstransformationen. Besondere Inspiration sowie Lösungs- und Umsetzungsfokussierung kam durch die Beiträge junger Menschen, von Angehörigen indigener Gruppen und auch durch künstlerische Impulse.

Die Vertreter der verschiedenen Religionen und internationale Experten tauschten sich intensiv aus und loteten gemeinsame Perspektiven aus. Gemeinsame Konzepte und konkrete praktische Maßnahmen, Partnerschaften und Projekte zur Intensivierung der Umsetzung der SDGs wurden am Ende in fünf Teams – entsprechend der 5 P’s – erarbeitet.

Das Laudato Si‘-Projekt-Team der KU/VDW bestand aus Prof. Dr. Ulrich Bartosch, Christian Meier und Dr. Dr. Oliver Putz. Es tauschte sich in vielen Gesprächen mit Vertretern des Vatikans und anderer zivilgesellschaftlicher Organisationen – insbesondere auch über SDG Nr. 4 „hochwertige Bildung“ – aus. Auch Staatssekretärin Dr. Maria Flachsbarth vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit wurde vom Team über die Aktivitäten an der KU informiert.  Es wurde deutlich, dass die Enzyklika Laudato Si‘ gerade auch im Bildungsbereich an vielen Orten weltweit als Nachhaltigkeitsimpuls religiöser Herkunft und Prägung, als Dialogangebot und Unterstützung aufgegriffen wird, so auch im englischen Oxford, in den USA an der University St. Clara, in Nord- und auch in Osteuropa.

Laudato Si‘-Projektreferent Christian Meier äußerte: „Ich sehe sowohl die Rede des Papstes als auch viele Konferenzinhalte als Aufruf an uns zu einerseits mehr inter- und transdisziplinärem Vorgehen, insbesondere in Wissenschaft und Bildung, um der Größe und Dringlichkeit nicht-nachhaltiger Entwicklung angemessen begegnen zu können, und andererseits zu verstärktem interreligiösen Dialog und Zusammenwirken. Hier auf der Konferenz, auf der Angehörige und Führer aller Weltreligionen sowie Personen ohne Religionszugehörigkeit präsent waren, waren sich alle einig – was nicht so häufig vorkommt: Wir haben ein nachhaltigere, gerechtere und sicherere Welt zum Ziel! Dieses Potenzial sollten und müssen wir nutzen! Die Ziele sind klar. Es geht jetzt um mehr Aktion und stärkere Umsetzung, jeder in seinem Bereich. Im Fall der KU ist das Bildung und Forschung, aber auch Anwendung. Eine Bewahrung der Schöpfung und gerechtere Lebensumstände für alle werden nicht gelingen, wenn man für diesen Wandel nicht insbesondere die ethisch-moralische Komponenten aktiviert – „change of hearts“! Hier sehe ich die KU in besonderer Herausforderung und Verantwortung.“

Weitere Informationen zum laufenden Forschungsprojekt der KU/VDW rund um die Enzyklika finden Sie unter www.laudato-si-transformation.de.

Weiterführende Informationen:

Auf der Homepage des Dikasteriums für die ganzheitliche Entwicklung des Menschen www.humandevelopment.va finden Sie weiterführende Informationen, auch zur Internationalen Konferenz „Religions and the SDGs„.

Hier finden Sie das Gesamtprogramm der Konferenz.

Hier finden Sie die Ansprache von Papst Franziskus an die Konferenz-Teilnehmer.

Hier finden Sie den Vortrag von Michael Møller, Untergeneralsekretär der Vereinten Nationen.

Hier finden Sie einen schnellen Einblick mit Eindrücken von der Konferenz in einem Video.

Die Live-Streaming Videos der gesamten Konferenz finden Sie außerdem hier.